Authentische Einblicke in das Leben hinter der DDR-Mauer
Christa Löscher erzählt am BWZ von Propaganda, Überwachung und der Bedeutung von Demokratie.
An einem Donnerstag im November wurde der Geschichtsunterricht der Klasse IMST22a am BWZ zu einem besonderen Erlebnis. Der Lernende Linus Löscher interviewte seine Grossmutter Christa Löscher, eine gebürtige Dresdnerin, über ihr Leben in der DDR. Als Zeitzeugin brachte sie der Klasse die komplexe Geschichte des geteilten Deutschlands auf eine eindrucksvolle und persönliche Weise näher.
Geschichte aus erster Hand
Die Lernenden hatten in den Wochen zuvor im Geschichtsunterricht die Wiedervereinigung Deutschlands behandelt und einen Fragenkatalog erarbeitet, der das Gespräch strukturierte. Christa Löscher berichtete offen und lebhaft von ihren Erfahrungen. „In der Schule wurde uns immer wieder eingetrichtert, dass der Sozialismus der einzig richtige Weg ist“, erinnerte sie sich. „Wir mussten Loblieder auf die Partei singen, obwohl viele von uns das gar nicht ernst meinten.“
Traum von Kuba platzte - wegen Kaffee
Besonders aufmerksam lauschte die Klasse den Berichten über die Methoden der Staatssicherheit. „Der Traum von meinem Mann und mir, nach Kuba arbeiten zu gehen, wurde uns plötzlich genommen – ohne Begründung“, erzählte sie. „Erst nach der Wende haben wir erfahren, dass wir wegen eines anonymen Hinweises als politisch unzuverlässig galten. Unsere Wohnung war durchsucht worden und man hatte dort Kaffee aus Westdeutschland gefunden. Dieser Kaffee wurde als verdächtig einstuft." Solche Anekdoten liessen die Schülerinnen und Schüler erahnen, wie tief die Überwachung und Kontrolle in den Alltag der Menschen eingriffen.
Herausforderungen des Alltags
Auch der Alltag in der DDR bot spannende Einblicke. „Ein Auto war ein Luxus, den sich kaum jemand leisten konnte“, erklärte Frau Löscher. „Man wartete Jahre auf einen Trabant, und ein Gebrauchtwagen war oft teurer als ein neuer.“ Dennoch hob sie auch positive Aspekte hervor: „Frauen hatten viele Chancen, sich beruflich zu entfalten. In technischen Berufen waren wir oft ganz vorne dabei.“
Ein Appell an die Demokratie
Am Ende des Gesprächs richtete Christa Löscher einen eindringlichen Appell an die Klasse: „Vergesst nie, wie wertvoll die Demokratie ist. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, ist unbezahlbar.“ Mit Blick auf aktuelle politische Entwicklungen warnte sie: „Seid wachsam, damit sich Geschichte nicht wiederholt.“
Etwas, das kein Lehrbuch leisten kann
Auch der Geschichtslehrer, Markus Richter, zeigte sich beeindruckt von der Authentizität des Gesprächs: „Christa Löscher hat uns heute nicht nur Geschichte erklärt, sondern sie spürbar gemacht. Das ist etwas, das kein Lehrbuch leisten kann.“ Er ermutigte die Klasse, das Erlebte mit in den Unterricht einzubringen: „Nutzt diese Erfahrungen, um über die Bedeutung von Freiheit und Demokratie nachzudenken – sie sind unser grösstes Gut.“
Die Veranstaltung hinterliess einen bleibenden Eindruck und machte deutlich, wie wichtig es ist, Zeitzeugen zu hören, um Geschichte lebendig und greifbar zu machen.