Schweizweit einzigartig: Praxismodule vom BWZ für Kunststofftechnologen
Wie lassen sich Kunststoffe erkennen? Und wie lässt sich mit Wärme Kunststoff bearbeiten? Mit Fragen wie diesen setzten sich 20 angehende Kunststofftechnolog:innen Mitte März auseinander.

«Wenn wir eines in diesem Vertiefungsmodul gelernt haben, dann das: Kunststoff ist eine ganz schön komplizierte Sache», sagt der Lernende Léon Lack aus einer Kunststofftechnologenklasse im zweiten Lehrjahr mit einem Schmunzeln. Zusammen mit seiner Klasse steht er im Prüflabor des IWK (Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung) der Ostschweizer Fachhochschule (OST) in Jona und hat sich wie seine Kolleg:innen in Workshops zu verschiedenen Themen aus der Kunststoffverarbeitung weitergebildet. «Die Workshops sind Teil von insgesamt fünf Vertiefungsmodulen, die wir am BWZ Rapperswil-Jona schweizweit einzigartig anbieten», sagt René Jud, Fachbereichsleiter Kunststofftechnik, der die Module in Zusammenarbeit mit der FH OST über mehrere Jahre spezifisch für angehende Kunststofftechnologen entwickelt hat. «Ziel ist es, Berufsalltag zu simulieren – teilweise bewusst auch vorbereitend in Bereichen, in denen die Lernenden erst nach der Ausbildung tätig sein werden», erklärt Fachmann René Jud.
Simulationen aus Berufsalltag
So mussten die zukünftigen Profis an einem der vier Posten unter Zeitdruck bestimmen, welche sechs Kunststoffarten vor ihnen auf den Pulten liegen. Der Auftrag basiert auf Berufserfahrungen, die René Jud in der Privatwirtschaft gesammelt hat: «Als Bereichsleiter verschiedener technischer Abteilungen kam es durchaus vor, dass ein Kunde ein Gegenstand mitbrachte und wissen wollte, aus welchem Kunststoff der Artikel produziert wurde und von unserem Betrieb ein ähnliches Produkt wünschte.» Wie es René Jud im Berufsalltag tat, gehen jetzt die Lernenden vor. Sie untersuchen die verschiedenen Kunststoffproben auf ihre chemischen, mechanischen und optischen Eigenschaften. Speziell: Immer wieder riechen sie daran und bezeichnen den Geruch mit unerwarteten Begriffen - so riecht ein Produkt fruchtartig, ein anderes nach verbrannten Haaren, ranziger Butter oder ganz einfach nach geschmolzenem «Plastik». «Das gehört dazu», sagt René Jud lachend, «mit der Zeit kann man wie ich zahlreiche Kunststoffe allein am Geruch erkennen.»
Von Thermodynamik bis Zugprüfung
Während Léon Lack die Kunststoffproben analysiert, erklärt an einem anderen Posten Micha Loibl, Mitarbeiter der OST, wie man unter dem Mikroskop Beschädigungen im Kunststoff erkennt. «Auf den ersten Blick sieht es nach einem unbeschädigten Produkt aus», sagt der Lernende Philip Weibel dazu. «Wenn ein Fachmann aber die Details erklärt, fallen einem sofort kleinste Verformungen auf, die das Endprodukt schädigen können. Darauf werde ich jetzt auch im Berufsalltag vermehrt achten.» Eine andere Gruppe probiert derweil die Thermodynamik aus und entdeckt, wie Kunststoff mittels Wärme auf Formen – wie Becher oder Masken – perfekt angepasst werden kann. «Für uns ist das neu, weil wir im Betrieb mit einem anderen Verfahren, dem Spritzguss, produzieren», sagt Megha Di Maio und ihre Kollegin Jill vom Baur ergänzt: «Andere Verarbeitungsverfahren setzen wir zwar nicht heute und morgen um, aber werden das Wissen in Zukunft brauchen.»
Zufrieden mit Resultaten
Derweil untersucht eine vierte Gruppe verschiedene Kunststofftypen mittels Zugprüfung. Die Lernenden beobachten, wie sich Kunststoffprodukte unter verschiedenen Bedingungen verhalten: Einige Kunststoffe dehnen sich markant aus, andere zerspringen schnell. Die Produkte zur Prüfung haben die Lernenden selber in einem früheren Workshop hergestellt, denn: «Die Workshops sind über alle Ausbildungsjahre genau auf den Lehrplan abgestimmt, damit wir einen möglichsten hohen Lernerfolg erzielen», sagt René Jud. Das kommt an: Bei allen Versuchen ist die Motivation zu spüren, mit der die angehenden Kunststofftechnolog:innen bei der Sache sind. «Sie machen es sehr gut», sagt auch Fuad Miceli von der OST, «wir sind zufrieden mit den Fortschritten, die wir sehen.» Zufrieden ist auch René Jud: «Zwar sind die Vorbereitungen für die Workshops immer zeitintensiv, aber es hat sich auch in diesem Jahr mehr als gelohnt, weil wir den Lernenden wichtige Erfahrungen und Wissen handlungsorientiert mit auf den Weg geben konnten.»