Ukrainerinnen und Ukrainer stellen Kunst aus ihrem Heimatland vor
Wie integriert man ukrainische Flüchtlinge? Zum Beispiel so: Mitte November hat die Integrationsklasse am BWZ Schülerinnen und Schülern aus der Vorlehre ukrainische Kunst näher gebracht.

Wie integriert man ukrainische Flüchtlinge? Zum Beispiel so: Mitte November brachte die Integrationsklasse am BWZ Schülerinnen und Schülern aus der Vorlehre ukrainische Kunst näher.
Vom 30. Oktober bis 20. November 2022 präsentierte das Kunst(zeug)haus in Rapperswil zeitgenössische Werke von ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern. Die Ausstellung «Unfolding Landscapes» wurde noch vor Kriegsbeginn kuratiert und erkundete Landschaft, Topografie und Kultur des vielfältigen Landes. Für Bettina Heer und Ueli Gysin, die am BWZ die Integrationsklasse der Ukrainerinnen und Ukrainer unterrichten, kam das fast wie gerufen: Die beiden Lehrpersonen engagieren sich dafür, Integration im Schulalltag zu leben. So hatten sie beispielsweise im vergangenen März einen Pausenkiosk auf die Beine gestellt, um Spenden für die Ukraine zu sammeln. Vor zwei Wochen organisierten sie nun eine Führung für die ukrainischen Flüchtlinge durch die Ausstellung im Kunst(zeug)haus. Danach erarbeiteten die beiden Lehrpersonen gemeinsam mit den 12 ukrainischen Schülerinnen und Schülern kurze, mündliche Präsentationen zu ausgewählten Bildern, die in der Ausstellung gezeigt wurden. Ihr Ziel: Lernenden aus der Vorlehre im Rahmen einer Führung Kunst und Kultur aus der Ukraine näherzubringen und die Deutschkenntnisse zu verbessern. Die Vorlehre, die Bettina Heer und Ueli Gysin ebenfalls unterrichten, ist ein Sprungbrett für engagierte junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen.
Von Odessa nach Rapperswil
Mitte November trafen die 14 Lernenden aus der Vorlehre im Kunst(zeug)haus ein. Sie waren neugierig, was sie gleich von ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen erfahren würden. Mit Kunst in Berührung gekommen waren zuvor viele, so auch Sonam Bläuer aus der Vorlehre. «Im Kunstzeughaus war ich bereits mehrmals, aber eine solche Führung, wie wir sie heute erleben werden, hatte ich noch nie», sagte er. Entsprechend nervös waren die ukrainischen Flüchtlinge, wie etwa die 17-jährige Polina Tkachenko und ihre zwei Jahre ältere Schwester Alyona. Sie verrieten: «Es ist schon etwas ungewohnt, vor anderen zu sprechen.» Die beiden jungen Frauen kommen aus Odessa und sind seit Mai 2022 in der Schweiz. «Als der Krieg ausgebrochen ist, war für unsere Eltern klar, dass wir das Land schnellstmöglich verlassen müssen», erinnert sich Polina, die in ihrer Heimat wie ihre Schwester an einer Universität studiert hatte.
150 Bombeneinschläge gezählt
Nur einmal waren sie seit Mai für zwei Wochen zurück in Odessa – ausgerechnet während einer Zeit, in der die Stadt massiv bombardiert wurde. 150 Einschläge hätten sie gezählt, sagt Polina. «Ich bin sehr froh, dass ich in der Schweiz sein kann. Ich kannte dieses Land vorher nicht, aber es gefällt mir sehr gut hier. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit.» Ihre Schwester Alyona fügt an: «Natürlich vermissen wir die Ukraine, aber es gibt nichts, was hier nicht gut ist.» Wie lange die Schwestern noch in der Schweiz bleiben werden, wissen sie nicht. Der Schutzstatus S wurde kürzlich bis am 4. März 2023 verlängert. Wie es danach weitergeht, ist für die beiden ungewiss. Die Schwestern können sich vorstellen, in der Schweiz ein Gymnasium zu besuchen. Bei diesen Plänen werden sie von Ueli Gysin und Bettina Heer unterstützt. Denn nicht nur den beiden Lehrpersonen ist aufgefallen, wie schnell Polina und Alyona sowie andere Schülerinnen und Schüler aus der Integrationsklasse Deutsch gelernt haben, auch Sonam Bläuer stellt anerkennend fest: «Ich weiss nicht, wer von uns in der gleichen Zeit so gut Russisch gelernt hätte.»
Erstmals Flüchtlinge getroffen
Derweil erklärt der Ukrainer Ivan Matviichuk Alena Brunner, Nicole Artho und Diego Talavera «sein» Bild: Er hat sich das ausdrucksstarke Werk von Taras Kovach ausgesucht. Das Bild zeigt eine Stadtlandschaft, die für den 1982 geborenen Künstler typisch ist. Die Schwarz-Weiss-Installation, die Zeichnung und Fotografie kombiniert, scheint mit einer Vorahnung von Gefahr und Ungewissheit belastet zu sein. Für Nicole Artho ist es das erste Mal, dass sie Flüchtlingen aus der Ukraine begegnet. Und, wie sind sie denn so, die Ukrainer? «Sie sind sehr lustig, das hätte ich nach allem, was in ihrem Land geschieht, nicht erwartet», sagt sie, um nach kurzem Überlegen anzufügen: «Und ausserdem sind sie eigentlich wie wir.» Genau das haben sich Bettina Heer und Ueli Gysin erhofft: Man lernt sich in angenehmer und lockerer Atmosphäre näher kennen. Und wer weiss? Vielleicht entsteht so sogar die eine oder andere Freundschaft.