Zwischen Lehrabschluss, Einkaufserlebnis und Online-Shop: Wie Lernende im Detailhandel den Wandel meistern
Die Detailhandelsreform – Neustart für alle, auch für Ivan Kesten, Chiara Giampà, Frano Mandura, George Niederberger und Alexander Gjoni (im Bild von Front nach hinten).

Seit August 2022 gilt eine neue Bildungsverordnung im Detailhandel: Weg von Fächern, hin zu sogenannten Handlungskompetenzen – also Fähigkeiten, die direkt im Arbeitsalltag benötigt werden. Die Ausbildung gliedert sich neu in vier Kernbereiche: Kundenbeziehungen gestalten, Produkte und Dienstleistungen präsentieren, Fachkenntnisse einbringen und weiterentwickeln sowie Interaktionen im Betrieb und in der Branche.
Rückblick vor dem QV
Nicht nur für die Betriebe und die Berufsfachschule bedeutete das eine grosse Umstellung. Auch für die Lernenden war vieles neu und anders, als sie es aus der Oberstufe kannten. Die Klasse DHF22b steht in diesem Jahr am BWZ als erste überhaupt vor dem Lehrabschluss nach der Reform. Die fünf Lernenden Alexander Gjoni, George Niederberger, Ivan Kesten, Frano Mandura und Chiara Giampà nehmen sich in der anspruchsvollen QV-Phase Zeit, um auf ihre drei Lehrjahre zurückzublicken.
Zwischen Reform und Realität
«An den ersten Schultag erinnere ich mich noch gut», sagt Alexander Gjoni. «Ich war nervös, alles war neu. Ich fragte mich: Kommt das gut?» Heute weiss er: «Es kam sogar sehr gut», sagt er lachend. «Wir sind eine tolle Klasse mit einem super Teamgeist. In den drei Jahren sind wir zusammengewachsen und haben uns immer wieder gegenseitig unterstützt – sei es in der Schule oder mit Tipps für den Berufsalltag. Das war auch nötig – nicht immer war alles ganz einfach.»
Selbstorganisiertes Lernen war neu
Besonders die Umstellung auf das selbstorganisierte Lernen, das seit der Reform im Fokus der schulischen Grundbildung steht, sei anspruchsvoll gewesen, sagt Chiara Giampà: «Aus der Oberstufe waren wir klassischen Frontalunterricht gewohnt. Plötzlich galt es in der Berufsfachschule, selbst Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Es war nicht immer einfach, sich daran zu gewöhnen – zumal wir die Reform als erste Klasse durchliefen. Teilweise waren auch die Lehrpersonen unsicher, was genau wie umgesetzt werden sollte.»
George Niederberger ergänzt: «Klar, diese Art des Lernens erfordert mehr Selbstdisziplin. Aber inzwischen erkenne ich die Vorteile: Sie hilft mir auch im Betrieb. Ich weiss heute gut, wie ich Probleme angehe.»
Darum stehen die fünf Lernenden der Reform grundsätzlich positiv gegenüber: «Die neuen Schwerpunkte im dritten Lehrjahr haben mir zum Beispiel geholfen, den Kundenkontakt bewusster zu gestalten», sagt Frano Mandura, angehender Detailhandelsfachmann im Foodbereich.
Positive Erfahrungen in Beruf und Schule
Neben dem Lernen ging es aber auch um echte Erfahrungen. «Im Betrieb konnte ich mehr und mehr Verantwortung übernehmen – bis hin zum Führen einer Abteilung und zur Betreuung von Lernenden im ersten Lehrjahr», sagt George Niederberger. «Das hat mich motiviert und mein Selbstvertrauen gestärkt.»
Natürlich gab es auch Tiefpunkte: schwierige Prüfungen, Stress vor Feiertagen, lange Arbeitstage. «Das gehört in der Lehre und im Detailhandel einfach dazu», sagt Ivan Kesten. «Dafür überwiegen oft die coolen Momente – etwa wenn man einen Kunden besonders gut bedient hat oder gute Umsatzzahlen und Noten erreicht.»
Zusammenarbeit gelungen
Trotz aller Herausforderungen blieb der soziale Aspekt nicht auf der Strecke. Gerade in der neuen Lernkultur wird Zusammenarbeit grossgeschrieben. Ivan Kesten bringt es auf den Punkt: «Wir waren füreinander da – nicht nur, wenn es um Schule ging, sondern auch bei Stress im Betrieb. Dieser Zusammenhalt hat mir durch manche Prüfung geholfen.»
Digitale Helfer: KI trifft Schule
Ein fester Bestandteil im Ausbildungsalltag sind digitale Tools wie ChatGPT. Ob als Lernpartner, „Erklärbär“ oder Textcoach – die KI ist für viele zu einem praktischen Begleiter geworden.
«Wir haben uns komplizierte Themen erklären lassen», sagt Chiara Giampà. «Das hat wirklich geholfen. Es war wie ein Nachhilfelehrer, der nie genervt ist», fasst Frano Mandura zusammen und fügt an: «Natürlich muss man kritisch bleiben – nicht alles, was KI ausspuckt, ist korrekt.» Auf die Frage, wie man das QV besteht, hat ChatGPT übrigens eine gute Antwort: «Mit guter Vorbereitung», sagt die KI – schlicht, aber treffend.
Die Zukunft beginnt jetzt
Nach dem Lehrabschluss trennen sich die Wege der Lernenden. Für alle steht fest: Sie bleiben dem Verkauf treu und sammeln Berufserfahrung. Wie es danach weitergeht, lassen sie offen.
Fazit: Lernen fürs Leben
Die Reform hat vieles verändert und für Diskussionen gesorgt. Mehr Eigenverantwortung, neue Lernmethoden, digitale Hilfsmittel und eine engere Verknüpfung mit der Praxis fordern Lernende und Lehrpersonen gleichermassen.
Doch die fünf Lernenden zeigen: Es lohnt sich. «Man verkauft nicht nur Produkte – man lernt fürs Leben», sagt Chiara Giampà. Und genau das ist wohl das beste Fazit, das man einer solchen Lehrzeit geben kann.